„Wulff hat mühsam gesiegt, aber Gauck hat gewonnen. Er gewann die Autorität, die der Kanzlerin fehlt. Er gewann die Zuneigung der Menschen, die Angela Merkel verloren hat. Und gewonnen hat das Gemeinwesen: In den Wochen des Präsidentschaftswahlkampfes ist ein Ruck durch das Land gegangen. (...)
In den Wochen der großen öffentlichen Kampagne für Gauck war über das Ende der Bundeskanzlerin Merkel geunkt worden, sollte ihr Kandidat Wulff nicht gewählt werden. Er ist nur mit Müh und Not Präsident geworden. Und Merkel hat sich mit Müh und Not gerettet. Ihre Situation ist nun von prekärer Delikatesse: Wulff, Rüttgers und Koch, drei stellvertretende CDU-Vorsitzende, sind, auf verschiedene Weise, entsorgt. Die Kanzlerin hat innerparteilich keinen Widerpart mehr. In elender Lage ihrer schwarz-gelben Koalition ist die Kanzlerin also in einer höchst komfortablen machtpolitischen Position, die aber zugleich ungeheuer kritisch ist: Merkel hat so viel Macht wie nie - und ist zugleich so gefährdet wie nie zuvor. Der Vertrauensverlust in die von ihr geführte Regierung ist nämlich so groß, dass er durch keinen Wulff der Welt ausgeglichen werden kann. Merkel hat versucht, das höchste Staatsamt zu missbrauchen. Sie ist durchschaut und abgestraft worden.
Eine Kanzlerin, die nun aber innerparteilich so viel Macht hat wie kein CDU-Kanzler vor ihr, kann sich den berechtigten Erwartungen an ein kraftvolles Regieren nicht entziehen - zumal auch die parlamentarische Mehrheit dieser Koalition so groß ist. Wenn die Kraft der Kanzlerin auch künftig nur dafür reicht, die Regierungsgeschäfte mühsam weiter zu schleppen, steht ihr Desaster vor der Tür. Es droht im nächsten März: Die Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt werden zu ihrem Waterloo. Dort war Bonapartes letzte Schlacht.”