„Herr Augstein, in Ihrer Funktion als Verleger des »Freitags«, aber auch in der Rolle als Journalist: Wie sehen Sie die Zukunft des Journalismus? Wo geht es hin?
Ich kann mir vorstellen, dass die Zukunft drei sehr verschiedenen institutionellen Modellen gehören wird. Das ist einmal der klassische Verlag mit einem Produkt, das sich durch den Verkauf von Inhalten über Print und Netz und durch Anzeigen oder sonstige Geschäfte finanziert. Zweitens das unabhängige Fringe-Produkt, das nur wenig Leser erreicht und in Selbstausbeutung entsteht. Die dritte Variante werden stiftungsfinanzierte journalistische Ergänzungsinstitutionen sein, die Teile der Aufgaben wahrnehmen, die von den etablierten Medien nicht mehr wahrgenommen werden.
Das klassische Verlags- und Pressesystem wird also auch in Zukunft Bestand haben?
Wenn man Geld verdienen will, muss man etwas verkaufen. Ich glaube, Anzeigenplatz zu verkaufen, ist sehr schwer, und nennenswerte Bezahlerlöse im Internet zu generieren, ist es ebenfalls. Der Verkauf einer Papierzeitung ist aber durchaus noch ein Geschäft, das funktioniert. Sowohl für die etablierten Titel als auch für Neugründungen. Wahrscheinlich wird es noch schwieriger als früher, große Titel in den Markt zu bringen. Aber kleine und mittlere Titel für klare Zielgruppen, das kann durchaus noch funktionieren. Das ist auch die Idee hinter dem »Freitag«. (...)
Brauchen wir eine andere Art von Journalisten? Eine, die vorrangig selektiert und einordnet?
Wir brauchen vor allem Mut. Journalismus ohne Mut ist etwas ganz Trauriges. Wir brauchen mutigere Leute, die sich anlegen mit ihren eigenen Chefs, mit denen, die Geld haben, mit denen, die die Entscheidungen treffen. Ich finde die Leute so mutlos. Ich glaube, das ist das Hauptproblem des Journalismus.
Glauben Sie denn, dass freie Journalisten, wenn sie das Netz effektiv nutzen, bessere Chancen haben als früher?
Es gibt natürlich die Chance, sich einem größeren Kreis von Leuten bekannt zu machen, man ist leichter und schneller zu identifizieren. Das Selbstmarketing wird durch das Netz leichter. Aber ich bezweifele, dass damit sehr viel gewonnen ist. Es gibt in den deutschen Medien eine überschaubare Anzahl von Türhütern - und die treffen Sie nicht im Internet.”